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Penicillinallergie ist in den meisten Fällen gar keine: Ausweichen auf andere Antibiotika hat Nachteile und ist oft unnötig

Penicilline zählen zu den am häufigsten verschriebenen und wirksamsten Medikamenten. Doch da viele Patienten vermeintlich allergisch auf sie reagieren, verzichten Ärzte mitunter vorsichtshalber darauf, sie einzusetzen. Dabei liegt nur bei den wenigsten Patienten tatsächlich eine Allergie vor. Über die Verbreitung von und den Umgang mit vermeintlichen Penicillinallergien, haben amerikanische Forscher nun im renommierten Fachblatt JAMA berichtet. Die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI) nimmt die aktuelle Publikation zum Anlass, auch in Deutschland zu einer verstärkten Überprüfung vermuteter Penicillinallergien aufzurufen. Denn anstelle der hochwirksamen und gut verträglichen Penicilline erhalten Patienten mit vermeintlicher Allergie Antibiotika, die oft weniger effektiv sind und die Entstehung von Resistenzen befeuern.

In den USA gibt rund jeder zehnte Patient an, schon einmal allergisch auf ein Penicillin reagiert zu haben. Meist sind Nebenwirkungen wie beispielsweise Magen-Darm-Beschwerden oder Juckreiz der Grund für die Allergie-Vermutung. Allergologische Tests jedoch zeigen, dass bei rund 95 Prozent der Betroffenen keine Allergie vorliege, so die Autoren der aktuellen JAMA-Publikation (1). Ähnliche Zahlen existieren für Deutschland: Hier zeigen Untersuchungen, dass etwa drei Viertel der Patienten, die glauben, an einer Penicillinallergie zu leiden, sogar alle Beta-Laktam-Antibiotika vertragen (2). Zu dieser wichtigen Wirkstoffklasse zählen neben den Penicillinen unter anderem auch die Cephalosporine. „Selbst wenn tatsächlich eine Allergie gegen ein bestimmtes Penicillin vorliegen sollte, ist meist trotzdem die Behandlung mit einem anderen Penicillin oder mit einem Cephalosporin aus dieser Gruppe möglich“, sagt Gerd Fätkenheuer, DGI-Präsident und Leiter der Infektiologie an der Klinik I für Innere Medizin am Universitätsklinikum Köln. Dennoch werde in Akutfällen oft auf die Gabe sämtlicher Beta-Laktame verzichtet, weil die Zeit für allergologische Tests nicht ausreiche.

Dass das Ausweichen auf andere Antibiotika auch handfeste Nachteile hat, ist leider nicht hinreichend im Bewusstsein von Ärzten und Patienten verankert.

PROF. DR. GERD FÄTKENHEUER

Denn anstelle der hochwirksamen und gut verträglichen Beta-Laktam-Antibiotika erhalten die Patienten dann Antibiotika anderer Substanzklassen, die teils weniger effektiv sind und mit stärkeren Nebenwirkungen einhergehen – etwa einer problematischen Besiedelung des Darms mit Clostridium difficile-Bakterien. Clostridien können Giftstoffe ausscheiden, die Darmentzündungen mit schweren Durchfällen verursachen können. Der vermehrte Einsatz von Breitband- und Reserveantibiotika trägt zudem zur Entstehung von Resistenzen bei.

Es ist sinnvoll, wenn Patienten, die vermuten, eine Penicillinallergie zu haben, dies von einem Allergologen einmal abklären lassen.

„Denn im Akutfall hat man unter Umständen zu wenig Zeit für einen Test, und der Arzt muss zwangsläufig auf andere Antibiotika ausweichen“, so Fätkenheuer. Um die Problematik der Resistenzentstehung einzudämmen und Patienten effektiv und nebenwirkungsarm zu behandeln, müsse seitens der Ärzte die Angabe „Penicillinallergie“ kritischer hinterfragt und das oft unnötige Ausweichen auf Breitband- und Reserveantibiotika deutlich reduziert werden, so die DGI. Die DGI bemüht sich seit vielen Jahren, über Angebote zur Intensivfortbildung im Bereich rationale Antibiotikaverschreibung („Antibiotic Stewardship“, abgekürzt ABS) – vor allem im Krankenhausbereich – das Wissen über einen sinnvollen Antibiotikaeinsatz zu schärfen und Fehlentwicklungen, etwa den unnötigen Verzicht auf Penicilline, entgegenzuwirken. „Neue Zahlen belegen, dass in deutschen Krankenhäusern durch das Engagement von Ärzten und Apothekern im Bereich ABS wieder mehr Penicillin und Penicillinderivate, anstelle von Cephalosporinen und Fluorchinolonen verwendet werden – keineswegs zum Nachteil der Patienten“, sagt Professor Dr. med. Winfried Kern, Professor für Infektiologie am Freiburger Universitätsklinikum und Leiter der Akademie für Infektionsmedizin, die die ABS-Kurse für die DGI organisiert.

Quellen:

(1). Shenoy E. et al.: Evaluation and Management of Penicillin Allergy / A Review. JAMA.2019;321(2):188-199 https://jamanetwork.com/journals/jama/article-abstract/2720732

(2) Trcka J. et al.: Penicillintherapie trotz Penicillinallergie? Plädoyer für eine allergologische Diagnostik bei Verdacht auf Penicillinallergie. Dtsch Arztebl 2004; 101(43): A-2888 / B-2444 / C-2331 https://www.aerzteblatt.de/archiv/43978/Penicillintherapie-trotz-Penicillinallergie-Plaedoyer-fuer-eine-allergologische-Diagnostik-bei-Verdacht-auf-Penicillinallergie

(3.) Sachs B. et al.: Penicillinallergie: Wenn die Vermutung nicht zutrifft. Dtsch Arztebl 2018;115(24):20; doi:10.3238/PersPneumo.2018.06.15.005 https://www.aerzteblatt.de/archiv/198620/Penicillinallergie-(1)-Wenn-die-Vermutung-nicht-zutrifft

Kontakt für Journalisten:

Deutsche Gesellschaft für Infektiologie e.V.
Pressestelle Juliane Pfeiffer
Postfach 30 11 20
70451 Stuttgart
Tel.: 0711 8931-693
Fax: 0711 8931-167
E-Mail: pfeiffer@medizinkommunikation.org

www.dgi-net.de

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