Dramatische Zunahme von Tuberkulose-Infektionen durch multiresistente Erreger

Deutschland sei die Situation durch die Behandlung der Patienten in hochspezialisierten Zentren unter Kontrolle, teilt die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI) mit. Im weltweiten Kampf gegen die Erkrankungen brauche es dringend Kampagnen, die gezielter auf die Eindämmung und Behandlung multiresistenter Tuberkulose-Erreger fokussierten, fordert die Fachgesellschaft.

Alarmiert vom dramatischen Anstieg multiresistenter Tuberkulose-Fälle (MDR-TB) weltweit, entwickelten Forscher um Aditya Sharma von der US-Gesundheitsbehörde CDC mit Hilfe eines mathematischen Modells Szenarien für die Entwicklung der Fallzahlen bis 2040 in vier besonders betroffenen Ländern: Russland, Südafrika, Indien und den Philippinen. Sie prognostizieren einen deutlichen Inzidenzanstieg multiresistenter Tuberkulosefälle für alle vier Regionen, insbesondere für Russland. Während in der Vergangenheit sich vor allem bei jenen Patienten Resistenzen entwickelten, die wegen einer Tuberkulose schon behandelt worden waren, werden die multiresistenten Erreger heute bereits bei Neuinfektionen übertragen.

Laut WHO haben sich zwischen 2009 und 2015 die MDR-TB-Fälle unter den neu Infizierten in Europa mehr als verdoppelt – eine bedrohliche Entwicklung.

PD DR. JAN RYBNIKER, Facharzt für Innere Medizin und Infektiologie am Universitätsklinikum Köln

„Die Infektionserkrankung rückt damit näher an uns heran: ein Drittel aller Fälle wurden aus Europa, überwiegend aus Osteuropa, gemeldet.“ 2015 gab es in Russland 42 000 MDR-TB-Neuinfektionen, in der Ukraine 12 000, in den EU-Anrainerstataaten Weißrussland und Moldawien 1990 beziehungsweise 1700.

Mit 125 Erkrankungen an multiresistenter Tuberkulose (MDR-TB) im Jahr 2015 ist die Lage hierzulande derzeit nicht dramatisch, wenngleich auch in Deutschland die Fallzahlen zunehmen. Die Mehrheit der Betroffenen ist nicht in Deutschland geboren.

Weil die Tuberkulose nicht immer einfach zu diagnostizieren ist, bietet die DGI zusammen mit dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) zahlreiche Fortbildungen für Haus- und Fachärzte an. Die Behandlung der Erkrankung sollte jedoch stets in spezialisierten Zentren erfolgen, so die Fachgesellschaft.

Die Therapie ist komplex, und erfordert Erfahrung in der Diagnostik und im Umgang mit sehr teuren und nebenwirkungsträchtigen Kombinationstherapien.

PROF. DR. CHRISTOPH LANGE, Leiter der Klinischen Infektiologie am Forschungszentrum Borstel

Die MDR-TB stellt deswegen ein so großes Problem für die betroffenen Patienten und Behandler dar, weil es nur wenige Antibiotika gibt, die überhaupt gegen den Erreger der Tuberkulose wirksam sind.   

„Im Fall der Tuberkulose mussten wir erleben, dass weniger als zwei Jahre nach der Zulassung der einzigen neuen Medikamente, die seit mehr als 45 Jahren zur Therapie der TB entwickelt wurden, es bereits 2015 den ersten Fall eines Patienten gab, bei dem die Tuberkulose-Erreger auch gegen die neuen Medikamente resistent waren.“ Um dies zu vermeiden, müsse der Umgang mit Medikamenten kontrolliert und durchdacht erfolgen und gehöre in die Hände von erfahrenen Infektiologen an spezialisierten Zentren, so Lange. An der Medizinischen Klinik des Forschungszentrums Borstel, dem Klinischen TB Zentrum im DZIF, wurden seit Beginn 2015 mehr als 60 Patienten mit multiresistenter und extensiv-resistenter Tuberkulose stationär behandelt. Aufgrund der translationalen Umsetzung neuer grundlagenwissenschaftlicher Erkenntnisse in die klinische Praxis und einer engen Zusammenarbeit der klinischen Infektiologen mit Mikrobiologen und Molekularbiologen, seien selbst für diese Patienten die Heilungsaussichten exzellent, so der Experte. Weltweit können aber nur weniger als 50 Prozent der Patienten mit einer MDR-TB erfolgreich behandelt werden.

Die WHO hat sich vorgenommen, die Tuberkulose bis 2035 deutlich einzudämmen und die Infektion in sogenannten Niedriginzidenzländern wie Deutschland gänzlich auszurotten. Die sei zwar ein wichtiges Ziel – eine Initiative zur Kontrolle der multiresistenten Tuberkulose sei angesichts der Entwicklung der Fallzahlen jedoch absolut vordringlich, so die Fachgesellschaft.

Literatur:

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